Meisterwerke aus dem Olymp der Violinkonzerte bei der WDK Köln
Wenn es einen Olymp der Violinkonzerte gäbe, wäre der sicher gut bevölkert – immerhin gibt es eine lange Reihe wunderbarer Werke für das traditionsreiche Instrument. Aber ganz oben auf dem Gipfel, da, wo die Luft dünn und der Platz knapp ist, findet sich dann doch nur eine recht überschaubare Anzahl an Meisterkompositionen, die Künstler:innen und Publikum so begeistern, dass ihnen ein dauerhafter Platz unter den meistgespielten und -geliebten Konzerten gebührt. Ein beeindruckend großer Teil von ihnen ist in der Saison 2024/25 bei der WDK zu hören – natürlich dargeboten von den absoluten Stars an Bogen und Saite. Und so wie die antiken Bewohner des mythologischen Olymps hat jedes dieser Werke seinen ganz eigenen Charakter.
Apollon: Felix Mendelssohn
Der Lorbeerkranz des Gottes der Musik und des Lichts gebührt – selbstverständlich, möchte man fast sagen – dem Violinkonzert von Felix Mendelssohn. Schon die ersten Takte, in denen die Solovioline das Hauptthema anstimmt, graben sich mit ihrem eindringlichen Gesang tief ins Herz und ins Gedächtnis ein. Und so geht es auch weiter: Lichtdurchflutet und klassisch ausgewogen bezaubert das Konzert seit seiner Uraufführung vor beinahe 200 Jahren das Publikum.
Manfred Honeck | Anne-Sophie Mutter
Vergangene Veranstaltung
Hephaistos: Max Bruch
Ein Werk wie ein Vulkanausbruch! Fesselnd vom ersten Moment an, wenn ein spannungsgeladener Paukenwirbel zu einer sich hoch aufschwingenden Violinkantilene überleitet. Das erste Violinkonzert von Max Bruch ist ein Paradebeispiel für die Verbindung von romantischer Ausdrucksintensität und kompositorischem Handwerkszeug. Passend also zum altgriechischen Gott des Feuers und der Schmiedekunst, der mit seiner Liebe zu Göttin Aphrodite auch eine empfindsame Seite offenbart – obwohl diese Geschichte bekanntlich nicht das beste Ende nahm. Auch das übrigens eine Parallele zu Max Bruch: Nach anfänglicher Freude über den Erfolg seines Violinkonzerts war der Komponist zunehmend frustriert, da all seine anderen Kompositionen daneben übersehen wurden.
Marie Jacquot | María Dueñas
Zeus: Wolfgang Amadeus Mozart
Auch wenn man die Musik Mozarts kaum mit dem Lärmen des blitzeschleudernden Göttervaters vergleichen kann, gebührt dem Genie aus Salzburg doch zweifellos der erste Rang unter den hier versammelten Komponisten. Insbesondere sein fünftes und letztes Violinkonzert zeugt von einer schier überirdischen Kombination aus perfekter Beherrschung des Instruments – Mozart war selbst ein hervorragender Violinist –, genialer Begabung und einmaliger Inspiration.
Mozarteumorchester Salzburg | Andrew Manze
Poseidon: Jean Sibelius
Wer könnte besser zu Jean Sibelius passen als der mächtige Gott des Wassers und der Meere? Allerdings hätte der Patriot Sibelius es vermutlich vorgezogen, dessen finnischer Entsprechung Ahti zu begegnen – scheint doch in seiner Musik jeder Takt die Natur seines Heimatlandes zu atmen. Das Violinkonzert bildet hier keine Ausnahme. Ein Werk wie eine Wanderung durch eine abwechslungsreiche Landschaft: von geheimnisvollen, geisterbewohnten Seen über mal ruhig fließende, mal wild dahinbrausende Flüsse bis hin zu glitzernden und schäumenden Wasserfällen.
Vasily Petrenko | Julia Fischer
Dionysos: Pjotr Tschaikowsky
Warum Pjotr Tschaikowskys hinreißendes Violinkonzert so gut zum griechischen Gott des Weins passt, liegt auf der Hand. Der erste Satz: rauschhafte Glückseligkeit. Der zweite: beseeltes Singen. Der dritte: ekstatisches Finale. Und beseelt, vielleicht gar ekstatisch war Tschaikowsky zweifellos, als er das zauberhafte D-Dur-Werk schrieb. Einer unglücklichen Ehe entkommen, genoss der Komponist am Genfer See den Frühling – sowie die Gesellschaft seines Freundes (und ehemaligen Schwarms), des Geigers Iosef Kotik. In dieser Atmosphäre von Frieden und landschaftlicher Schönheit schuf er ein Werk, das – als Musik gewordene Lebensfreude – zu Recht zu den ganz großen seiner Gattung zählt.
Jakub Hrůša | Ray Chen
Hermes: Ludwig van Beethoven
Wie bitte? Der „Titan“ Beethoven, gleichgesetzt mit dem unglamourösen, listigen Götterboten? Allerdings! Und das ist alles andere als respektlos gemeint. Hermes war – unter anderem! – Erfinder der Lyra und der Syrinx, Gott der Reisen, des Handels, der Rhetorik, Gymnastik und Magie, Gesetzgeber der Menschen und Beschützer der Seelen, kurz: Irdisch oder überirdisch – an ihm kam man einfach nicht vorbei. Sozusagen der Beethoven unter den griechischen Göttern. Und heute manchmal unterschätzt – so wie Beethoven zu Lebzeiten mit seinem Violinkonzert. Das galt nach der Uraufführung als zu schwer, für die Solisten nicht glamourös genug und irgendwie unübersichtlich, verschwand in der Versenkung und kam erst Mitte des 19. Jahrhunderts zu Ehren. Wie so oft war Beethoven seiner Zeit voraus!
Paavo Järvi | Janine Jansen